Forschungsdesign
Auszug aus dem ersten internen Workshop der UEK, 9. Februar 2016
Das Forschungsprogramm der UEK fragt danach, welche Vorstellungen von Staat, Staatlichkeit, Recht, Gesellschaft und Individuum den behördlichen Massnahmen zugrunde lagen.
Auszug aus dem Forschungsdesign der UEK vom 10. Mai 2016
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Die Unabhängige Expertenkommission (UEK) Administrative Versorgungen hat im Mai 2016 ein Forschungsdesign erstellt. Dieses dient als Handlungsanleitung für alle Mitarbeitenden der UEK und richtet sich gleichzeitig an alle interessierten Leserinnen und Leser.
Ausgangspunkt des Forschungsdesigns bildet das Forschungsprogramm, das die UEK am 26. Mai 2015 verabschiedet hat. Die im Anschluss eingeholten nationalen und internationalen Gutachten sowie die Stellungnahmen der Kommissionsmitglieder gaben wichtige Hinweise für die Konkretisierung des Gesamtprojekts sowie der einzelnen Forschungsaufträge.
Die ForschungsFelder der UEK Die UEK ist in fünf Forschungsfelder aufgeteilt:
Forschungsfeld A: Das Grundlagenfeld A besteht aus drei für die gesamte Forschung relevanten Arbeitsbereichen:
Forschungsfeld B: Rechtsgrundlagen / Legitimierung und Delegitimierung der administrativen Versorgungen Das Forschungsfeld B widmet sich der historischen und juristischen Analyse von Gesetzestexten, welche es ermöglichen, gewisse auf sozialer oder politischer Ebene als problematisch eingestufte Kategorien von Individuen aus sozialprophylaktischen Gründen zu internieren (zum Teil auch lebenslänglich). Zum einen soll versucht werden, diese Kategorien zu beschreiben und zu analysieren, in der Art wie sie in den Gesetzestexten aufgeführt werden. Die einzelnen Rechtsbereiche, in denen diese Ausschlussmechanismen erfolgen, werden dafür genauer bestimmt (z.B. Fürsorgegesetze, Trinkergesetze, Vormundschaftsgesetze usw.). Zum anderen wird der soziale, politische und wissenschaftliche Kontext ermittelt, in dem diese Gesetzesgrundlagen auftreten, fortbestehen und schliesslich ausser Kraft gesetzt werden. Definiert werden zudem die Akteure (PolitikerInnen, JuristInnen, PsychiaterInnen, KlerikerInnen, JournalistInnen, Betroffene usw.), die sich an den für diese Studie relevanten Debatten beteiligen, die Begriffe, die diese prägen (rechtliche, politische, medizinische, soziale, moralische usw.), die Orte, an denen die Debatten stattfinden (politische Arena, psychiatrisches und medizinisches Umfeld, religiöse oder öffentliche Orte usw.) sowie Momente ihrer Verschärfung. Ziel ist es, die in diesen Debatten vorherrschenden Machtverhältnisse zu analysieren und historisch einzubetten, damit die Prozesse, die je nach Ort und Zeitraum über Legitimierung und Delegitimierung der administrativen Versorgung bestimmen, verstanden werden können.
Forschungsfeld C: Rechtspraxis und Expertise In Forschungsfeld C wird die Rechtspraxis der administrativen Versorgungen von 1935 bis kurz nach 1981 als Teil der Herausbildung moderner Sozialstaatlichkeit untersucht. Projekt C1 stellt die kantonalen Verfahren der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen dar und analysiert anhand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Auseinandersetzungen um Grundrechte. Projekt C2 fragt danach, wie sich die rechtlichen Regelungen in der Praxis konkretisierten und nimmt dabei behördliche Entscheidungsprozesse und die ihnen zugrundliegenden Deutungsmuster in den Blick. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei den eingeholten Expertisen zu. Schliesslich werden Handlungslogiken und Machtbeziehungen von Beteiligten und Betroffenen ausgeleuchtet. Projekt C3 untersucht, wie die staatlichen Behörden die ihnen obliegenden Aufsichtspflichten wahrgenommen haben, insbesondere im Kontext der Rechtsmittelverfahren.
Forschungsfeld D: Anstaltspraxis Mit Abschluss der Forschungsarbeiten im Forschungsfeld D sollen zentrale Aspekte der Anstaltspraxis hinsichtlich administrativer Versorgungen in der Schweiz bis 1981 benannt werden. Das schliesst ökonomische Aspekte und die Entlassungspraxis ebenso ein wie die Einbettung in einen grösseren, organisationsgeschichtlichen Kontext über die Landesgrenzen hinaus. Anstalten besitzen auch ein spezifisches Binnenleben, das mitunter in seiner Eigendynamik vom gesellschaftlichen Umfeld abgekoppelt ist. Damit öffnet sich ein auf unterschiedlichen Ebenen angesiedeltes Spannungsfeld zwischen intendierter und umgesetzter Anstaltspraxis. Ausgehend von fünf vertieften Längsschnitt-Einzelfallstudien zentraler Anstalten («Schlüsselinstitutionen») in unterschiedlichen Regionen der Schweiz, werden entlang einzelner Lebensläufe weitere mögliche Stationen der Versorgung nachgezeichnet. Dies mit Blick auf die föderalen Strukturen einer ausgeprägten Freiwilligen- und Laienpraxis sowie den breit gefächerten Anstaltsnetzwerken.
Forschungsfeld E: Biografien und Lebensläufe Die Rekonstruktion und Analyse von Biografien und Aussagen aus dem Personenkreis, der vor 1981 den lebensprägenden Abläufen administrativer Versorgung in geschlossenen Anstalten unterzogen wurde bzw. diese mitgestalteten, erfolgt in den relativ autonomen Teilprojekten E1 und E2. Teilprojekt E 1 erarbeitet 2 Publikationen: Eine kommentierte Quellenedition und eine situative historische Analyse einzelner Aktenbiografien, Lebensabschnitte und Wendepunkte. Die aus Teilprojekt E2 resultierende Monografie fokussiert unter Berücksichtigung von Habitusbildungsprozessen und Chancenstrukturen in Kindheit und Adoleszenz auf biografische Verlaufsdynamiken in der Zeit nach der Internierung mittels kodierender und hermeneutisch-sequentieller Verfahren der Analyse nicht-standardisierter Daten. Aus den erarbeiteten Biografierekonstruktionen erstellt Feld E zudem einen Band leserfreundlich verfasster Porträts ehemals administrativ Versorgter. Zu diesem können auch Mitarbeitende anderer Forschungsbereiche Porträts beisteuern. |
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