Verzweiflung und Widerspruch – Anhörung einer in Kaltbach administrativ versorgten Person
Bei einer solchen Anhörung im Sommer 1966 durch das Bezirksamt der Gemeinde Schwyz entstand das vorliegende Protokoll.
Forschungsfragen und Inhalt
Die Quelle ermöglicht uns einerseits, das behördliche Instrument der Anhörung kritisch zu analysieren, und andererseits, Einblick in die Beurteilung der Massnahme durch die betroffene Person selbst zu erhalten. Sie ist somit ein wichtiges Dokument, um die Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen und deren Grenzen zu thematisieren.
Fragen, die an diese Quelle gerichtet werden können, sind beispielsweise: Wie äusserte sich die betroffene Person in der Anhörung? Welche Handlungsmöglichkeiten hatte sie, um sich Gehör zu verschaffen? Inwiefern konnte sie dadurch das Verfahren beeinflussen? Welche Fragen stellten die Behördenvertreter und wie wurden die Aussagen in den Entscheidungsprozess miteinbezogen?
In der hier präsentierten Quelle verurteilte die betroffene Person die über sie verhängte «Versorgung» und nannte die Anstalt Kaltbach ein «Zuchthaus», womit sie die Massnahme als Strafe einordnete. Der Vergleich mit anderen Anhörungsprotokollen zeigt, dass die Anhörung in vielen Fällen eine Pflichtübung war und dass die Behörden, anders als im vorliegenden Fall, meist nur wenig notierten. Einzelne Aussagen wurden zwar schriftlich festgehalten, sie wurden jedoch von den Behörden nur sehr selten bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Dies zeigt, wie wenig Einfluss die betroffenen Personen auf das Verfahren nehmen konnten. Sie befanden sich oft in einer ausweglosen Situation.
Zugang zur Quelle
Die Quelle ist Bestandteil eines Dossiers, das der Regierungsrat des Kantons Schwyz für den Entscheid über die Einweisung einer Person in die Zwangsarbeitsanstalt Kaltbach anlegte. Solche Dossiers variieren von ihrem Umfang her stark. In einigen Fällen wurde nur der Entscheid archiviert, in anderen sind beispielsweise auch psychiatrische Gutachten, Korrespondenzen mit den Gemeindebehörden oder Anhörungsprotokolle vorhanden. Um die Entscheidungsprozesse einer tiefergehenden Analyse unterziehen zu können, ist es deshalb wichtig, auch die Unterlagen der antragsstellenden Instanzen – die Anträge auf administrative Versorgungen stammten in den meisten Fällen aus den Gemeinden – zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich in erster Linie um Quellen wie Fürsorgeprotokolle und Vormundschaftsakten.
Anhand dieser vielfältigen Quellen analysiert die UEK unter anderem Deutungsmuster sowie Gesellschafts- und Menschenbilder, die den Entscheiden der Behördenvertreter und Behördenvertreterinnen zugrunde lagen. Ziel ist es zudem, den Prozess der Stigmatisierung zu beschreiben, welche von der administrativen Versorgung betroffene Personen erlebten.
Bemerkungen zur Quelle
Die Verschriftlichung der Anhörung führte das Bezirksamt selbst durch. Die selektive Niederschrift der Aussagen und die Wortwahl sowie das asymmetrische Machtgefälle zwischen den anwesenden Personen bedürfen bei der Analyse besonderer Berücksichtigung.
Die persönlichen Daten wurden zum Schutze der betroffenen Person anonymisiert.
F. Grossmann
Angaben zur Quelle
Anhörungsprotokoll des Bezirksamts Schwyz, Sommer 1966.
Signatur: Staatsarchiv des Kantons Schwyz: Akten 3/14_861/170 RRB 2338.